3 Vertragsabwicklung - 3.4 Nachträge (Seite 2)

b) Bauaufträge, welche europaweit ausgeschrieben wurden (Fortsetzung):

Verzögert sich – aus welchen Gründen auch immer – eine zeitnahe Nachtragsvereinbarung, ist wegen der erhöhten Kooperationspflicht beider Parteien beim VOB/B-Vertrag das unbestrittene Guthaben analog § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/B unverzüglich zu zahlen.

Kommt eine Vereinbarung nicht vor, während oder nach der Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistung(en) zustande, so ist vom Auftraggeber die Höhe der Vergütung auf den vertraglichen Grundlagen bzw. gemäß § 632 Abs. 2 BGB einseitig festzulegen und der weiteren Vertragsabwicklung zu Grunde zu legen.

(4) Vor Abschluss einer Nachtragsvereinbarung ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen hierfür nach dem Bauvertrag (siehe Abschnitt 3.0 „Allgemeines", Nr. [6]) vorliegen.

Verlangt der Auftragnehmer einen Nachtrag unter Bezug auf Unklarheiten in den Vergabeunterlagen, obwohl er seiner Hinweispflicht gemäß Nr. 1 der „Teilnahmebedingungen bzw. EU-Teilnahmebedingungen (siehe Teil 1, Abschnitt 1.0 „Allgemeines") nicht nachgekommen ist, führt dies nicht zu einer Risikoverlagerung auf den Auftragnehmer. Das OLG München hat mit Beschluss vom 04. 04. 2013 entschieden, dass der Bieter bei Fehlern im Leistungsverzeichnis keine Hinweispflicht hat. Das OLG Dresden (Urt. vom 25. 11. 2011) hat ebenfalls eine Hinweispflicht vor Vertragsschluss abgelehnt.

Im Vermerk Nachtragsbearbeitung sind sämtliche mit dem betreffenden Sachverhalt zusammenhängende Regelungen festzuhalten. Hierzu gehört insbesondere die OZ-weise Prüfung der Nachtragspositionen hinsichtlich nachfolgender Punkte:
  • ist die Nachtragsposition Bestandteil der vertraglichen Leistung (§ 2 Abs. 1 VOB/B),

  • ist die Nachtragsposition vollständig und prüffähig,

  • welche Anspruchsgrundlage gemäß § 2 VOB/B ist einschlägig,

  • Prüfung der Elemente der Preisermittlung der Nachtrags-OZ unter Berücksichtigung der Leistungs- und Mengen- ansätze.

Vorgenannte Sachverhaltsfeststellungen sind schriftlich zu dokumentieren. Hierzu kann der Vordruck HVA B-StB OZ-weise Prüfung Nachtrag (siehe Teil 4 Vordrucke) oder eine mit den entsprechenden Angabe ausgefüllte Excel- Tabelle (Abdruck hiervon siehe Teil 4 Vordrucke) verwendet werden. Die jeweilige Unterlage ist als Anlage dem Vermerk Nachtragsbearbeitung beizufügen.

(5) Weiterhin ist zu beachten, dass eine Änderung des Bauvertrages zum Nachteil des Auftraggebers (Bund, Land usw.) nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen (z. B. § 58 Bundeshaushaltsordnung – BHO) nur in besonders begrün- deten Ausnahmefällen zulässig ist (siehe Nrn. [32] ff.).

Vertragsänderungen, die eine höhere Vergütung oder eine Veränderung von Vertragsbedingungen zugunsten des Auftragnehmers zum Inhalt haben, sind dann nicht als nachteilig für den Auftraggeber anzusehen, wenn der Auftragnehmer einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch darauf hat.

(6) Zusammenhängende Leistungen und sämtliche damit im Zusammenhang stehende Sachverhalte sind in einer Nachtragsvereinbarung zu regeln und nicht zu splitten. Neben dem Anlass für den Nachtrag sind insbesondere die betroffenen Positionen und/oder preislichen Vereinbarungen sowie gegebenenfalls die Auswirkungen auf sonstige Vertragsbedingungen (Termine, Gleitklauseln, Vertragsstrafen usw.) festzuhalten.

(7) Werden durch Nachträge vertragliche Preise geändert oder neue Preise vereinbart, ist von der Preisermittlung des Auftragnehmers (Urkalkulation) für die vertragliche Leistung auszugehen.

Ist diese Preisermittlung nicht sachgerecht oder für den Auftraggeber nicht nachvollziehbar, so sind die Ansätze auf der Grundlage der Vertragspreise besonders sorgfältig zu prüfen.

Der Auftraggeber darf zur Vereinbarung neuer Preise oder zur Prüfung sonstiger vertraglicher Ansprüche die Preisermittlung (Urkalkulation) öffnen und einsehen. Die Preisermittlung wird danach wieder verschlossen. Sie wird nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben.

(8) Die einzelnen Elemente einer Preisermittlung sind unterschiedlich zu behandeln, wobei zu unterscheiden ist zwischen
  • positionsbezogenen (Einzelkosten der Teilleistung),

  • auftragsbezogenen (Baustellengemeinkosten) und

  • firmenbezogenen (Allgemeine Geschäftskosten)

Preiselementen.