Bundeseinheitliches Merkblatt zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i. V. m. § 66 Abs. 2 und § 67 AufenthG (Seite 3)

3. Bonitätsprüfung
a) Grundsätze

Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichtungserklärenden sind grundsätzlich die Pfändungsfreigrenzen nach den §§ 850 ff. ZPO zu berücksichtigen, weil auf Einkommen unterhalb dieser Freigrenzen bei der Vollstreckung von Verpflichtungen nach § 68 AufenthG nicht zugegriffen werden kann. Zu berücksichtigen sind dabei auch bestehende gesetzliche Unterhaltspflichten (§ 850c ZPO i. V. m. der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung). Dabei ist § 850c Absatz 6 ZPO zugunsten des Verpflichtungserklärenden zu beachten, sofern eine Person, welcher der Verpflichtungserklärende auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte hat. In diesem Fall kann diese Person bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Wird die Pfändungsfreigrenze unterschritten, kann im Ausnahmefall bei vorhandenem Vermögen von der Ausländerbehörde zur Vermeidung unzumutbarer Härten (z. B. bei engen Verwandtschafts- verhältnissen) kumulativ zur Verpflichtungserklärung die Hinterlegung von Sicherheitsleistungen (z. B. Sperrvermerke auf Sparbüchern/-konten, Bankbürgschaften, Einzahlung einer Kaution auf ein Verwahrkonto der Gebietskörperschaft, falls dies bei der Gebietskörperschaft möglich ist) verlangt werden. Wird die Sicherheitsleistung im Rahmen einer Verpflichtung nach § 66 Absatz 2 und § 68 Absatz 1 AufenthG hinterlegt, ist dies auf der Verpflichtungserklärung zu vermerken.

Grundsätzlich ist die Bonität durch Vorlage geeigneter Belege nachzuweisen. In Ausnahmefällen kann auch die Glaubhaftmachung ausreichend sein, z.B. wenn bei Ausländerbehörde/Auslandsvertretung insbesondere aufgrund bisheriger Kenntnisse keine begründeten Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Verpflichtungserklärenden bestehen (z. B. Erfahrungen bei der Entgegennahme früherer Verpflichtungserklärungen bzw. Prüfungen der Bonität früherer Verpflichtungserklärungen desselben Verpflichtungserklärenden).

b) Prüfungsmaßstab

Als pauschaler Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts ist immer die Regelbedarfsstufe 1 gemäß der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in der für das jeweilige Jahr nach der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungs- verordnung geltenden Höhe anzusetzen.

aa) Besuchs- oder Kurzzeitaufenthalte (Aufenthalt für 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen)
Die Bonität wird vom Erklärenden durch die Vorlage von Nachweisen von Arbeitseinkommen dann erfolgreich nachgewiesen, wenn
  • der nach § 850c ZPO pfändbare Anteil am Arbeitseinkommens für jeden erwachsenen Gast die Hälfte des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts und - im Fall mitreisender Kinder - ein Viertel des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts pro Kind beträgt und

  • dem Gast / den Gästen die für Verwandte typischen Naturalleistungen gewährt werden (Kost und Logis).

Die Pfändungsfreigrenzen werden gemäß § 850c Abs. 4 Satz 2 ZPO jedes Jahr zum 1. Juli angepasst. Die jeweils aktuelle gültige Bekanntmachung zu den Pfändungsfreigrenzen kann einschließlich einer als Anhang abgedruckten Tabelle über die Seite www.gesetze-im-internet.de oder im Onlinearchiv des vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Bundesgesetzblattes abgerufen werden.

BERECHNUNGSBEISPIEL

Der Besuch einer Großmutter nebst einer Nichte soll mit einer Verpflichtungserklärung abgesichert werden. Einladerin ist die Tochter bzw. Tante der Nichte. Die Einladerin ist vollzeitbeschäftigt (Monatsverdienst aktuell: 3.250 EUR netto). Im Zeitpunkt des geplanten Besuchs wird sie aufgrund einer schon beschlossenen Tariferhöhung 3.330 EUR netto verdienen. Ihr Ehemann übt einen Minijob aus (Monatsverdienst: 520 EUR brutto). Unterhaltsverpflichtungen bestehen zudem noch gegenüber ihren beiden 16 Jahre alten Zwillingen. Ein Zwilling übt an manchen Werktagen eine geringfügige Beschäftigung aus (Monatsverdienst: durchschnittlich 200 EUR brutto). Der andere Zwilling hat keine eigenen Einkünfte.

Schritt 1: Ermittlung des Mindestbetrags
Großmutter
Regelbedarfsstufe 1:

563 EUR

1/2-Teil:

281,50 EUR

Nichte
Regelbedarfsstufe 1:

563 EUR

1/4-Teil:

140,75 EUR

Summe:

422,25 EUR

Schritt 2: Ermittlung des tatsächlich pfändbaren Betrags
Schritt 2.1:

Ermittlung der zu berücksichtigten Unterhaltsberechtigten

Der Ehemann der Einladerin bleibt bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz unberücksichtigt, da er über nennenswerte eigene Einkünfte verfügt (> 300 EUR).

Die beiden Zwillinge sind bei der Ermittlung des tatsächlich pfändbaren Betrags zu berücksichtigen. Dies gilt auch fur den erwerbstätigen Zwilling, da dessen Einkünfte niedrig ausfallen (<=300 EUR), seine Mutter also für seinen Lebensunterhalt ganz überwiegend aufkommen muss.

Schritt 2.2:

Feststellung des tatsächlich pfändbaren Betrages gem. Bekanntmachung zu den Pfändungsfrei- grenzen 2023 nach § 850c der Zivilprozessordnung vom 15. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 79)

Tatsächlich pfändbarer Betrag aktuell:

410,38 EUR

Tatsächlich pfändbarer Betrag nach Tariferhöhung:

442,38 EUR

Ergebnis: Die Bonität ist hier nachgewiesen, weil die Tariferhöhung beschlossene Sache ist und der Einladerin zugutekommen wird.